Als er ein andermal in eine Synagoge ging, saß dort ein Mann, dessen Hand verdorrt war.
Und sie gaben Acht, ob Jesus ihn am Sabbat heilen werde; sie suchten nämlich einen Grund zur Anklage gegen ihn.
Da sagte er zu dem Mann mit der verdorrten Hand: Steh auf und stell dich in die Mitte!
Und zu den anderen sagte er: Was ist am Sabbat erlaubt: Gutes zu tun oder Böses, ein Leben zu retten oder es zu vernichten? Sie aber schwiegen.
Und er sah sie der Reihe nach an, voll Zorn und Trauer über ihr verstocktes Herz, und sagte zu dem Mann: Streck deine Hand aus! Er streckte sie aus und seine Hand war wieder gesund.
Da gingen die Pharisäer hinaus und fassten zusammen mit den Anhängern des Herodes den Beschluss, Jesus umzubringen. (Mk 3,1-6)
Fünfte Predigt zur Heilig-Haupt-Andacht in St. Egid, Klagenfurt.
Alles in Allem, lieber Paul M. Zulehner,
Sie sind ein „begnadeter“ , menschlich-christlich, „evangelisch“ engagierter Prediger und begabter Rhetoriker, der mit großem Wissen
widersprüchliche Jahrhunderte zusammenfügt , die jeweiligen Texte und Bildsprachen aus den Zeiten heraus deutet, aber auch in unsere Zeit transformiert
– mit so viel Menschlichem und Allzu-Menschlichen darinnen und in biblischen Texten…
Kaum möglich , diese Fülle des Guten, Schönen, Liebens-würdigen, Zerbrechlichen, Überraschenden Überzeugenden und In-Frage-Gestellten darüber hinaus zu kommentieren…
und dennoch kann ich meine Zweifel nicht verhehlen – auch nach Ihrer Meditation:
“ Gott lässt keine und keinen hängen“ .
Auch „Schöpfung“ , a- theologisch ausgedrückt, „Natur“ – hat in der
erd – und menschheitsgeschichtlichen „Evolution“ immer auch ihr „grausames“ Gesicht gezeigt, anthropomorph und anthropozentrisch ausgedrückt.
So z.B. in Erdbeben über Jahrtausende, wie etwa zeitnah in der Türkei und nicht so zeitlich entfernt in Haiti – mit so vielen Opfern – sicher viele Kinder, Alte, Kranke darunter, aber alles Hilflose…
Nun könnte ja
ein vernunft-geleiteter Gott raten,
sich nicht in erdbebengefährdeten Gebieten anzusiedeln. Wie bewohnbar wäre dann die Erde?
Oder er würde zur erdbebensicheren Bauweise raten und diejenigen nach Recht und Verantwortung zur Rechenschaft ziehen, die über das Wissen um diese Konstruktions- Technologie verfügten, deren Einsatz jedoch profitorientiert wissentlich verweigern. Schadensersatz-Rechte gab es auch schon im Codex Hammurabi,
1800 v.Chr. ( Wenn ein Mann seinen Deich nicht befestigte und dem Nachbarn dadurch Schaden zugefügt wurde, so galt die Pflicht zum Schadensersatz oder zur „Wiedergutmachung“) .
Trotz alle dem – es bleibt ein schmerzhafter, durchaus großer „Rest“ bei der Frage an eine so viel beschworene „gute“ Schöpfung … mit so vielen Opfern unter Tieren, Menschen u.a. seit der „Entstehung“ ..
Was könnte dann bedeuten : „Droben muss ein guter Vater wohnen!“ aus Fr. Schillers
Ode „An die Freude!“ ?
Oder nehmen wir die sogen. „natürliche Krankheiten“ ( nicht die durch menschliche Einwirkungen verursachten ) ? Das Schwergewicht von Tod-bringenden
Krankheiten zu relativieren, fällt schwer. Besonders den Betroffenen ?
Mir fällt auf, dass Jesus selbst in den Evangelien ( die „Offenbarung“ hat aus ihrer apokalyptischen Tradition heraus schon eher eine Sonderstellung, oder auch der „Prolog “ vor dem Joh.Evangelium ) nicht bei jeder Handlung gleich immer einen großen Bogen rund um die Schöpfung schlägt.
Er ist zugleich ein großer „Ethiker“ ( nicht im Sinne einer menschenfeindlichen Moral) , dem es ganz stark um den humanen „Umgang“ im menschlichen Miteinander geht. Mir scheint die „humanistische Aufklärung “ nicht so weit davon entfernt. Und nicht zuletzt findet sich einiges im Grundgesetz , im Völkerrecht, in der „allgemeinen Erklärung der Menschenrechte “ wieder:
„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ –
Bewahrung der Menschenwürde: Danach handelt ja auch der Vater gegenüber seinem „verlorenen Sohn“. Das ist vielleicht noch m e h r als „nur“ Barmherzigkeit…
Und – auch das ist im Geiste der „humanistischen Aufklärung“ , der „großen“ Humanisten, als Mitglieder der „Aufklärungs-Community“ , der Idealisten, „Stürmer und Dränger“ :
Friedrich Schiller hat sehr unter seinem absolutistisch herrschenden
„Landes v a t e r “ gelitten. Weil er rettende Solidarität nach seiner Flucht davor erfuhr, hat er seine Ode „An die Freude“ schreiben können.
Folgende Verse ( aus ca. 19 Strophen) daraus werden selten mit zitiert:
“ Bettler werden Fürstenbrüder.“
(…)
Rettung von Tyrannenketten,
Großmut auch dem Bösewicht,
Hoffnung auf dem Sterbebette,
Gnade auf dem Hochgericht!
Auch die Toten sollen leben!
(…)
Allen Sündern soll vergeben
Und die Hölle nicht mehr sein.“
(…)
Dazu schlüssig dann doch das Bild vom „barmherzigen, gnädigen Vater“,
Gnade vor unbarmherzig herrschendem, willkürlich in Kraft gesetztem Recht
inmitten einer patriarchalen Gesellschaft.