Papst Franziskus: Die Synode ist kein Parlament

„Ich betone gerne, dass die Synode kein Parlament ist. Sie ist etwas anderes. Die Synode ist auch keine Versammlung von Freunden, um einige aktuelle Dinge zu klären, Meinungen zu äußern. Nein, etwas anderes. Vergessen wir nicht, Brüder und Schwestern: Protagonist der Synode sind nicht wir, sondern der Heilige Geist. Und wenn in unserer Mitte der Heilige Geist ist, der uns führt, wird es eine gute Synode sein. Wenn es andere Dinge sind, die uns vorantreiben, menschliche Interessen, persönliche Interessen, Ideologien – dann wird es keine Synode sein, sondern eher eine parlamentarische Versammlung, etwas anderes. Eine Synode ist ein Weg, den der Heilige Geist ebnet“, unterstrich Papst Franziskus bei der Eröffnung der ersten Synodenversammlung am 4.10.2023.

In diese Richtung argumentiert Papst Franziskus unentwegt. Was er wohl damit verhindern möchte, sind Richtungskämpfe: zwischen traditionsbesorgten „Ideologen“ und weltangepassten Reformern.

Geist Gottes ist auch im Kirchenstreit

Freilich hat, wie die Schwaben sagen, eine solche Position ein „Gschmäckle“. Erstens hat es schon auf dem ersten Apostelkonzil heftigen Richtungsstreit gegeben. Dokumentiert ist dies in der Apostelgeschichte im Kapitel 15 so:

„Nach großer Aufregung und heftigen Auseinandersetzungen zwischen ihnen und Paulus und Barnabas beschloss man, Paulus und Barnabas und einige andere von ihnen sollten wegen dieser Streitfrage zu den Aposteln und den Ältesten nach Jerusalem hinaufgehen.(2)

Die Apostel und die Ältesten traten zusammen, um die Frage zu prüfen. Als ein heftiger Streit entstand, erhob sich Petrus und sagte zu ihnen: Brüder… (6,7)

Es wurde gerungen und dann ein Beschluss gefasst – zusammen (!) mit dem Heiligen Geist. Gottes Geist scheint ein Protagonist auch heftigen Richtungsstreits zu sein. Er war sicher auf im „antiochenischen Zwischenfalls dabei, über den Paulus so berichtet: „Als Kephas aber nach Antiochia gekommen war, bin ich ihm offen entgegengetreten, weil er sich ins Unrecht gesetzt hatte.“ (Gal 2,11)

Geist Gottes ist auch in Parlamenten am Werk

Zudem ist die Gegenüberstellung Synode (hui!) und Parlament (pfui) theologisch fatal. Es wird unterstellt, dass in parlamentarischen Vorgängen „nur“ menschliche, persönliche Interessen eine Rolle spielen. Aber eben nicht der Heilige Geist.

Es ist an der Zeit, eine „Theologie der Welt“ und damit auch eine „Theologie des Parlamentarismus, der Demokratie“ zu entwickeln. Im Grund weiß der Papst darum: In seinem neuesten Apostolischen Schreiben fordert er eine globale „Demokratisierung“; dabei soll es zugehen wie auf der Synode: „In diesem Kontext sind notwendigerweise Räume des Gesprächs, der Konsultation, der Schlichtung, der Konfliktlösung und der Supervision, letztendlich also eine Art größere ‚Demokratisierung auf Weltebene erforderlich, damit die verschiedenen Situationen wahrgenommen und einbezogen werden können.“ (Laudate Deum, 43) Wenn das geschieht, könnte das ein Ausdruck dafür sein, dass Gottes Leidenschaft für die Welt (Joel 2,18) sich in ganz säkularen – eben parlamentarisch-demokratischen Vorgängen zeigt.

Es wäre unredlich anzunehmen, dass es per se in Parlamenten „geistlos“ zugeht. Parlamentarischen Vorgängen verdankt die Welt die Erklärung der Menschenrechte. Der Sozialstaat ist eines seiner Errungenschaften.

Kirche ist keine Demokraie, sondern zunächst eine theokratische Anarchie

Unbestritten bleibt bei all diesen Überlungen, dass die Kirche keine Demokratie, sondern eine „Theokratie“ ist. Das macht sie auf der Ebene des Kirchenvolks zunächst zu einer „Anarchie“. Denn es gibt keine Herrschaft von Getauften über Getaufte, denen auf Grund der Wiedergeburt in Jesus Christus eine wahre Gleichheit an Würde und Berufung gegeben ist (LG 32; CIC can 208).

Im kirchlichen Leben braucht es aber Spielregeln, wenn über wichtige Belange des kirchlichen Lebens zu beraten ist. Solche kann man der Monarchie oder dem Absolutismus entlehnen – besser aber und theologisch angemessener wäre es, solche von der Demokratie zu leihen, die ja genau auf der Gleichheit aller beruht. Das würde die Kirche nicht zu einer Demokratie machen, aber es gäbe in der Theokratie namens „Volk Gottes“ demokratische Spielregeln.

Ungewollt ein falsches Signal

Nicht zuletzt ist es in einer Weltzeit, in der die freiheitlichen Demokratien und damit der Parlamentarismus durch illiberale, autoritäre und diktatorische Regierungen verdrängt werden, die in der Gegenüberstellung von Synode und Parlament ungewollte mitgelieferte „Verteufelung“ des Demokratischen fatal.

Es darf auf der Synode durchaus „demokratisch“ zu gehen. Wenn dies in Geist-voller Weise geschieht, würde es auch die gefährdeten Demokratien inspirieren und stärken. Es wäre ganz im Sinn des Soziologen Hartmut Rosa, dass Demokratie Religion braucht – allein wegen des Zuhörenkönnens.

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Eine Antwort zu Papst Franziskus: Die Synode ist kein Parlament

  1. brandhildegard schreibt:

    Ein hoch interessanter Beitrag mit einigen Paradoxien, aber auch Aufdeckungen von Widersprüchen. Am besten wären doch
    weltweite An-archien, d.h. Leben unter keinerlei Herrschafts-Formen, stattdessen Inhalte und notwendige Regelungen mit Vernunft für jegliches gesellschaftliches Zusammenleben kommunizieren und wirkkräftig werden lassen . Ich glaube immer noch, dass wir mit Vernunft und Menschlichkeit ausgestattet sind.

    Nach ca. 2000 Jahren hört sich der „Apostelstreit“ richtig nett an. Aber das zeigt wohl auch , dass es die „heile“ Urkirche so wohl nicht
    gegeben hat…
    Das liegt wohl auch daran, dass schon früh über Regelungen und religiöser Ausrichtungen debattiert werden musste, statt caritativ zu handeln- so wie Jesus selbst überwiegend ein Praktiker im Sinne eines Gottes der Gerechtigkeit und Humanität war.

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