Wir brauchen in der katholischen Kirche ein „Kirchenparlament“!

Die Zukunft gehört gut geleiteter Synodalität.

Die Kirche in Deutschland ist auf einem synodalen Weg. Das ist mutig und gut. Damit nimmt sie eine Kirchengestalt vorweg, die Papst Franziskus auch schon mit der Familiensynode und der Amazoniensynode praktiziert hat. Auch die nächste Bischofssynode wird sich mit der Synodalität befassen. Es ist zu wünschen, dass es dann nicht nur schöne Worte gibt, sondern auch weiterentwickelte rechtliche Strukturen.

Pastorales Dauerschisma

Das ist dringend nötig. Zwar hat das Zweite Vatikanische Konzil das Kirchenmodell der „Priesterkirche“ überwunden. In dieser herrschte ein tiefes Grundschisma zwischen Klerus und Laien. Dieser Graben wurde überbrückt, freilich nur zögerlich und letztlich halbherzig. Denn der im ersten Teil von Lumen gentium beschworenen „wahren Gleichheit aller an Würde und Berufung“ wurde sogleich wieder die Aufteilung zwischen Klerus und Laien nachgeschoben. So blieb es letztlich bei hymnischen Gesängen über die neue Egalität in der Kirche und die Verantwortung aller Getauften. Denn praktisch blieb alle darstellende und herstellende Macht bei den Bischöfen und ihren Priestern. Den Laien wurden zur Tröstung Gremien geschenkt, in denen sie beraten dürfen und auf welche die Ordinierten hören sollen – oder folgenlos auch nicht. So blieb auch die Entscheidung über das Geld oder die Einführung neuer Strukturen letztlich in der Hand der Bischöfe mit dem Papst.

Überwindung des strukturellen Kryptoklerikalismus

Nun will niemand in der katholischen Theologie das Amt abschaffen. Aber es sollte doch der strukturelle Kryptoklerikalismus überwunden werden. Warum schafft eine Diözese keine institutionalisierte „Dauersynodalität“, also eine Einrichtung, in der alle, welche das Leben der Kirche in Gemeinden, Gemeinschaften und Einrichtungen (wie Schulen, Bildungshäusern, Caritas, Theologische Fakultät usw.) tragen, mit Sitz und Stimme vertreten sind und einmütig mit den natürlich weiterhin für die Evangeliumstreue verantwortlichen Bischöfe entscheiden – ich meine wirklich entscheiden? Man könnte, um die Diskussion zu befeuern, von einer Art „Kirchenparlament“ sprechen.

In Deutschland konnte man im Nachgesang zur ersten Versammlung des diözesanen Weges viel aufgeregte Besorgnis unter einem kleinen Teil von Bischöfen vernehmen. Die hierarchische Struktur der Kirche werde schon durch die Geschäfts- und Sitzordnung des synodalen Vorgangs verraten. Es gehe schlimmer zu, als sie befürchtet hätten. Solche Wortmeldungen offenbaren nur, dass die Redner das erste Kapitel von Lumen gentium nach wie vor praktisch ablehnen und die Konstitution über die Kirche für sie mit Kapitel zwei beginnt.

Ideologen und Hirten

Aber immerhin: Es ist Bewegung in eine Ortskirche gekommen. Und allein das ist schon gut. Vor unseren Augen findet nämlich ein faszinierender Streit zwischen Ideologen und Hirten statt. Die Ideologen fragen nach der Sicherung der überkommenen Kirchengestalt (nicht der Kirche!); die anderen, ich nenne sie Hirten, suchen Wege, um dem Anliegen Jesu auch in unserer Zeit zu Gunsten der Menschen Gehör zu verschaffen. Dies ist auch der Streit, der sich derzeit in den Hinterhöfen des Vatikans abspielt. Auch dort rufen Ideologen den Hirten auf, die Tradition durch Bewahren zu schützen. Dabei ist es das Wesen der Tradition, dass sie nur im Gang durch die Geschichte und durch ein Hineinsingen in die Melodien der Kulturen sich treu bleibt. Ideologen musealisieren die Tradition, Hirten versuchen, deren Lebenskraft aus den Fesseln von klerikalen Machtinteressen und überkommenden Gestaltungsformen zu entbinden.

Mutlose Grabesstille in Österreich

Anders als in Deutschland ist es in Österreichs Kirche derzeit grabesstill. Die Bewegung, welche in der Nachbarskirche ausgelöst wurde, hat nicht einmal in sanften Wellen die Kirche bei uns erreicht. Auch die Katholische Aktion hat sich nicht zu Wort gemeldet, obgleich auch sie dringendes Interesse an der Beendigung des überkommenen Feudalklerikalismus und der strukturellen Dauerdemütigung der Mitglieder des heiligen Gottesvolks haben müsste. Es solle vor allem über die erwarteten Möglichkeiten, neue Wege zur Lösung des Priestermangels in wirklich lebendigen und eucharistisch hungrigen Gemeinden zu finden, nicht geredet werden. Dabei hätten sie längst, wie die Bischöfe Amazoniens, mutige Vorschläge machen können. Die Bischofskonferenz hat bezeichnenderweise ihren Mitgliedern zur Amazoniensynode faktisch einen Maulkorb verhängt: Ein Bischofskandidat, der sich in einer Wortmeldung äußerte, wurde noch vor der Weihe umgehend zum Nuntius und musste seine Aussage in einer Kathpressmeldung umgehend widerrufen.

Geist der Kraft, nicht der Verzagtheit

Sollte das Wort von Kardinal Christoph Schönborn aus dem Radiokaffee vor geraumer Zeit immer noch oder neuestens wieder zutreffen: „Dreißig Jahre waren wir Bischöfe zu feig“? Dabei gab Gott auch unseren Bischöfen bei der Weihe „nicht den Geist der Verzagtheit…, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“ (2 Tim 1,7). Sie sollten dem Papst nicht erst dann Vorschläge machen, wenn auch andere Bischöfe ganz wo anders damit erfolgreich gewesen sind: Was mit hoher Gewissheit der Fall sein wird. Dann wird es auch bei uns nicht ruhig bleiben, so der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Franz-Josef Bode in einer ARD-Dokumentation.

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Wenn Sie den Bischöfen Mut machen und dazu beitragen wollen, dass es auch bei uns nicht ruhig bleibt, dann unterzeichnen Sie bitte die Petition #Amazonien-auch-bei-uns ( www.amazonien-auch-bei-uns.com ) und erzählen Sie bitte davon weiter.

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2 Antworten zu Wir brauchen in der katholischen Kirche ein „Kirchenparlament“!

  1. Maria schreibt:

    Sehr geehrter Herr Zulehner, vielen Dank für Ihre klaren Worte in diesem Artikel, denen ich mich aufgrund meiner Erfahrungen vollinhaltlich anschließen möchte. Als von geistlichem/spirituellen Missbrauch Betroffene empfinde ich schöne Worte über die „Würde, Berufung und Verantwortung aller Getauften“ solange als uneinlösbar, solange die tatsächliche Macht, die leider häufig missbraucht wird, alleine beim Klerus liegt. Wie Sie schreiben, geht es dabei keineswegs um die Abschaffung des Amtes sondern um die Überwindung von „strukturellem Kryptoklerikalismus“, der Missbrauch in seiner vielfältigen Ausgestaltung begünstigt. Ich hoffe so sehr, dass in unserer Kirche ein Miteinander aller Getauften auf Augenhöhe im Sinne des Evangeliums möglich wird. Dazu reichen jedoch schöne Worte nicht aus.

  2. Pingback: Ci vuole più coraggio -

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