Um es gleich zu sagen: Ich schätze Kardinal Mario Grech sehr. Er leitet mit hoher Kompetenz das Synodensekretariat. Damit sorgt er sich um einen guten Prozess mit einem hoffentlich guten Ergebnis. Dennoch haben ein Statement von ihm auf der Prager Synodenversammlung ziemlich irritiert.
Es zeichnet das Bild einer Synodalität, wie sie in Deutschland praktiziert wird. Dieser stellt er die Synodalität gegenüber, wie er sie und die Verantwortlichen des Synodalen Weges der Weltkirche haben wollen und in Prag praktiziert wurde. Den Synodalen Weg in Deutschland beschreibt er abwertend, die Synodalversammlung hingegen lobt er in höchsten spirituellen Tönen.
Im Hintergrund lauert ein fataler Gegensatz: hier der Heilige Geist, auf den alle hören; dort Abstimmungen, wie sie in Parlamenten und auch in der Geschäftsordnung des Synodalen Weges in Deutschland vorgesehen sind.
Hier ein Ausschnitt aus dem Bericht über seine diesbezügliche Aussage in Prag aus der Kathpress vom 9.2.2023.
„Das Synodensekretariat im Vatikan hat den Prozess unter das Bibelzitat gestellt ‚Mach den Raum deines Zeltes weit‘. Und es hat für den Ablauf Vorgaben gemacht, damit die Beratungen trotz unvereinbarer Positionen nicht Sieger und Besiegte hervorbringen. Diese Art von Synode nennt der Sekretär der Weltsynode, Kardinal Mario Grech aus Malta, die ‚katholische Art, das synodale Prinzip zu verwirklichen‘. Sie unterscheidet sich deutlich von dem, was man im deutschsprachigen Raum als Synode oder Kirchenparlament kennt.
Dort sind Synodalversammlungen ein eingeübtes Verfahren. Die evangelischen Landeskirchen und ihre Dachverbände machten es vor, später hat es auch die katholische Kirche kopiert. Man debattiert tagelang, zumeist über Texte, von denen manche am Ende zu kirchenrechtlichen Vorschriften werden. Sie regeln, was in der Kirche gelehrt wird, was geboten ist, was gefördert gehört und wem entgegenzutreten ist.
Modus ohne Abstimmungs-Maschine
Das sichtbarste Werkzeug solcher Synoden ist das Abstimmungs-Gerät. Es ähnelt einer Fernbedienung. Durch das Drücken von Knöpfen können die Synodalen Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung zum Ausdruck bringen, und die Ergebnisse werden in absoluten und prozentualen Zahlen auf Großbildschirmen sichtbar.
Sind die erforderlichen Mehrheiten erreicht in katholischen Versammlungen sucht man meist Zustimmungen von mehr als zwei Dritteln dann gilt der vorgeschlagene Text als beschlossen. War die Debatte hitzig und das Abstimmungsergebnis ungewiss, gibt es Applaus der Mehrheit für das Ergebnis, und dann geht es zum nächsten Tagesordnungspunkt.
In der katholischen Variante, wie sie derzeit in Prag praktiziert wird, fehlt die Abstimmungs-Maschine. Stattdessen haben die Delegierten ein Gerät, mit dem sie den Sprachkanal für die Simultanübersetzung wählen. Denn die internationale Verfasstheit der katholischen Kirche bringt es mit sich, dass Beiträge in verschiedenen Sprachen vorgetragen werden.“
Kardinal Mario Grech findet sich damit sprachlich auf einem theologischen Minenfeld, das auch Papst Franziskus in den letzten Monaten leider mehrmals unbedacht beschritten hat. Die Kirche sei keine Demokratie, so wird gebetsmühlenartig betont, obgleich das überhaupt niemand behauptet hat – auch in der deutschen Kirche nicht. Es dürfe folglich von der Demokratie nichts gelernt werden. Abstimmen wäre aber demokratisch. Gemeinsam Entscheiden wäre demokratisch. Gewaltenteilung wäre demokratisch. Wählen wäre demokratisch. Ein Synodaler Rat wäre demokratisch. Vor allem, so die mitgelieferte Botschaft: Demokratisches und damit Abstimmen verträgt sich nicht mit dem Hören auf den Heiligen Geist.
- Ich frage mich erstens, warum es dann auf allen bisherigen Bischofsynoden unter Papst Franziskus Abstimmungen gegeben hat und es mit Sicherheit auf der Synode 2024 solche stattfinden werden. Und dies wird sicherlich mit Abstimmungsmaschinen geschehen.
Der Hinweis darauf, dass es in Prag statt Abstimmungsmaschinen eine Anlage mit Simultanübersetzung gegeben habe, ist rhetorisch witzig, hilft aber nicht wirklich weiter, obgleich auch das demokratisch ist, weil es beiträgt, dass die Menschen auch aufeinander hören und miteinander debattieren können.
Selbst des Zweite Vatikanische Konzil hat über alle Vorlagen abgestimmt. Die abgestimmten Ergebnisse haben die Lehre der Kirche vertieft und das Kirchenrecht verändert: auch das beanstandet der Kardinal am deutschen Weg. Könnte es sein, dass Abstimmungen im Gottesvolk schlecht, in der Kirchenleitung aber gut, weil unerlässlich sind? Könnte es sein, dass es für die Kirchenleitung, der das Entscheiden durch Abstimmen zugeeignet wird, bequemer ist, wenn aus den Beratungsvorgängen keine „abgestimmten“ Ergebnisse kommen, sondern lediglich ein diffuses Meinungsbild, das letztlich, weil ungewichtet, alles offenlässt und jeder herausnehmen kann, was mit seinen kirchenpolitischen Zielen konveniert: Entwicklung ebenso wie Stagnation? Man beteuert, auf das Kirchenvolk zu hören. Aber vielleicht lautet die Botschaft, um einen österreichischen Kabarettisten zu zitieren: „so genau wollte ich es doch nicht wissen!“ - Eine solche Gegenüberstellung – hier das Hören auf den Geist, dort das Demokratische – ist aber zweitens aus einem weltpolitischen Grund fatal. Denn (hoffentlich ungewollt) spricht der Kardinal allen, welche in Demokratien hart und mit Herzblut arbeiten, ab, auf den Heiligen Geist zu hören. Und Geist-hörende Politiker:innen aber gibt es weit mehr, als die medial präsenten Korruptionsgeschichten ahnen lassen. Ein fahrlässiges Demokratiebashing ist in einer Zeit, in welcher die Demokratien weltweit gefährdet sind, doppelt dramatisch und unverantwortlich. Eine Kirche, die den Anspruch hat, Hoffnung für die Welt von heute zu sein und zugleich das Demokratische als Gegensatz zum Hören auf den Geist und damit als Geist-los denunziert, verrät eben jene Mission in der Welt von heute, auf welche alle Synodalisierung zielt.
Es fehlt in der heutigen Kirche schlicht eine gediegene Theologie der Demokratie, damit auch eine solide Theologie der Welt. Hier rächt sich, dass auf dem Synodalen Weg der Weltkirche wenig Wert auf Theologie (vom Kirchenrecht abgesehen) gelegt wird – was allerdings wiederum die Stärke des deutschen Synodalen Weges ist. Deshalb wird beim deutschen Synodalen Weg auch etwas Handfestes herauskommen. Ein spiritualisiertes Hören auf den Geist hingegen macht das keinesfalls so sicher. Sollten jene Pessimisten rechtbehalten, dass man vielleicht gar keine wirklich handfesten, lehrhaft und kirchenrechtlich verbindlichen Veränderungen der katholischen Kirche haben will?
ad… “Deshalb wird beim deutschen Synodalen Weg auch etwas Handfestes herauskommen.“
… nämlich ein handfester Irrtum lieber Herr Professor… – warum sollte gerade der deutsche Weg der richtige sein? Ich behaupte, dass das Gegenteil der Fall ist!
Schauen Sie doch bitte nur auf die protestantische Kirche in diesem Land – diese ist wohl seit Beginn Synodal, doch alles andere als „Einig“…
Und wenn man schon so das Synodale lobt, sollte man da nicht auch „konservative“ Meinungen gelten lassen können und nicht immer wieder diese „verhetzen“ und nur den eigenen Weg als heilbringend sehen? Was würde wohl unser Herr und Meister dazu sagen?!
Mt 5,17-20
„Denkt nicht ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen.
Amen, das sage ich euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird auch nicht der kleinste Buchstabe des Gesetzes vergehen, bevor nicht alles geschehen ist.
Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein. WER SIE ABER HÄLT und halten lehrt, der wird groß sein im Himmelreich.
Darum sage ich euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“
Und weil Sie gerne von „Pessimisten“ reden: sehen Sie sich doch bitte unsere gottlose Welt von heute mit offenen Augen an – ich möchte dazu nur anfügen:
„Lernt aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum…!“ Mk 13,28
Mir hat das Statement gefallen- einfach die Vielfalt aushalten, im Vertrauen darauf, dass die andere Meinung genauso „geistgewirkt“ ist wie die eigene. Ich denke, unsere geistige/geistliche Fasskraft ist beschränkt; die Wirklichkeit ist viel größer. Wäre eine Abstimmung gefordert, müsste- im besseren Fall- ein Kompromiss gefunden werden, auch wenn die Zeit noch nicht reif wäre , im schlechteren Fall gäbe es Gewinner und Verlierer, was Spaltung bringen könnte (s. Vaticanum I).
Mir gefällt, dass der Fokus nun nicht mehr so stark auf überwiegend innerkirchliche Themen zu liegen scheint – Stichwort „Sendung der Kirche in der Welt“
Ps: Es waere auch interessant hier von den in Prag teilbehmenden Österreichern (zB Frau Prof Polak ist eine der Teilnehmer) und dem österreichischen Beitrag und Texten etwas berichtet zu bekommen…
Hier gibt es die gewünschte Info aus der Österreichperspektive:
https://www.feinschwarz.net/kontinentalsynode-in-prag/
Danke !
Mit großem Interesse und Dankbarkeit habe ich deinen äußerst wertvollen Beitrag zu Demokratie und Auf-den-Geist-Hören gelesen.
Es sollte tatsächlich ein großes Anliegen in der Kirche sein, die Stärke und Anwendbarkeit von demokratischen Prinzipien auch in der Kirche hervorzuheben (auch wenn dies nicht auf allen Ebenen gelingen mag). Das Entweder-Oder ist absolut fatal und geht gerade heute in Zeiten auch von Innen bedrohter Demokratie in eine gefährliche Richtung. Ein Hören auf den Hl. Geist ist immer wichtig, egal welcher Richtung ich mich mehr verbunden fühle; das setzt kein Verharren im Numinosen voraus und bedingt kein Verbot, moderne Möglichkeiten zur Abstimmung vieler Menschen (die auf den Hl. Geist hören) zu verwenden. So als wäre das Hören auf den Hl. Geist mehr gewährleistet, wenn man neue Möglichkeiten der Partizipation ausschließt und umgekehrt beim deutschen synod. Weg kein Hl. Geist möglich wäre.
Danke für den Widerspruch.
Herzliche Grüße
Michaela
Ich denke sowohl hier wie da wird das Pferd stueckweit vom Schwanz her aufgezäumt. Ich denke, man muss mit dem Thema Evangelisierung anfangen, dann werden sich zum einen die anderen Themen anschließend organisch klären und ordnen oder zumindest leichter klären und leichter ordnen. UND zum anderen haette das den Vorteil, dass man rund um das Thema Evangelisierung als Nebeneffekt vieles gleich einüben könnte, was es derzeit auf den Synodalen Treffen an Themen gibt, wie z.B Gleichberechtigung von Klerikern, Laien, Frauen, Maenner. Oder aufeinander hören….Da laut 2. Vat. die Evangelisierung die Pflicht JEDES Christen ist, waere gerade die Evangelisierung ein idealer Ort fuer Gleichberechtigung und auch viel spannender als der ungewisse Kampf um ein paar Quadratmeter Altar. Weiters ist es dafür unbedingt notwendig, zu lernen auf den Heiligen Geist zu hören und aufeinander und vieles andere. UND man müsste sich ebenfalls ueberlegen wie man anschließend diejenigen, die Interesse zeigen, langfristig in den Kirchen und Pfarren auch Heimat ermöglicht. Man haette so viel zu tun, dass gar nicht mehr viel Zeit bliebe fuer vermeidbare Grabenkämpfe oder Nabelbeschau….Eine derartige Anknüpfung an den Beginn des Christentums stelle ich mir jedenfalls spannend vor……
Genau so schätze ich die Macht der immer noch Mächtigen als Realistin – weniger als Pessimistin – ein, wie Sie im letzten Satz befürchten , vielleicht „Böses ahnend“ ,
„…dass man vielleicht gar keine …Veränderungen der katholischen Kirche haben will?“
Würden dann “ die Un-Veränderlichen“ dabei freundlich spirituell lächeln, von oben herab herablassend auf das Volk herabschauen, gar versteckt drohen :
„Wehe Euch, wenn ihr es geistes-abwesend anders macht !“
Dann würde ich aus Distanz raten ( wie Franziskus es auch schon mal „heimlich“ unter 6 Augen aussprach ) so ähnlich : Tut es einfach! z.B. am Synodalen Rat festhalten .
Werden dann Kuriale unter Polizeieinsatz und
nach Exkommunikations-Ritualien,
-geleitet von einem Höchstmaß an Unvernunft- in deutschsprachige Synodalräume eindringen ?
Denn nur Vernunft und Einsicht in das Gebot der Stunde ( kairos – auch in Vielfalt) könnte die katholische Kirche ( zumindest erst mal in Europa) vor dem Sturz in schon bestehende Abgründe bewahren.
Dann wird „man“ sich vielleicht an einem Strohhalm festhalten:
„Wir haben doch noch 1,2 Milliarden Katholische Menschen, in Afrika werden es immer mehr…“
Oder:
In ( gewollter ? ) Ignoranz exegetischer Befunde, nach denen nicht alle sogen. „ewigen“ Wahrheiten der „Institution Kirche“ und deren Regularien,
inclusive Moral- Codices, auf Quellentexte der Evangelien zurückzuführen sind,
– könnte in Abwehrhaltung hämisch gesagt werden:
„Wo kämen wir da hin, wenn überall in „Räten“ über „ewig gültige Wahrheiten und Traditionen“ abgestimmt würde! “ …
„Man“ u n t e r s c h ei d e t doch auch so gerne zwischen „Schrift“ und „Tradition“,
greift dabei aber auch aus Machtinteresse mit einer unfairen Argumentationsstrategie viel lieber auf „d i e Tradition“ zurück…
Damit wäre dann auch jegliche Neuerung, Veränderung blockiert und – überhaupt nicht im Sinne Jesu, der auch in seiner Zeit „die Zeichen der Zeit“ gesehen hat…
Mein Gott, Herr Kardinal Grech, was ist so schwer daran, Ihre Vernunft und menschliche Reife walten zu lassen und nicht mit Abwertungen zu spielen!