Es kommt Bewegung in die stagnierende katholische Weltkirche.

Die ganze Weltkirche macht sich auf einen synodalen Weg.

Der Papst hat wieder einmal überrascht. Diesmal nicht nur durch gute Worte. Vielmehr hat er den Startschuss für einen Synodalen Weg der katholischen Weltkirche gegeben (siehe https://www.kathpress.at/goto/meldung/2024777/papst-schickt-gesamte-weltkirche-auf-einen-synodalen-weg).

Im Oktober soll es in allen Diözesen der Weltkirche losgehen. In einem zweiten Schritt sollen die Ergebnisse kontinental gebündelt und schließlich in die auf 2023 verschobene Weltbischofssynode eingespeist werden.

Ein epochaler Schritt

Das ist aus mehreren Gründen ein bemerkenswerte Schritt des Papstes:

1. Der Gesamtprozess beginnt bereits früher und endet ein Jahr später. Die Weltkirche nimmt sich zwei Jahre Zeit. Die bereits laufende Vorbereitungszeit ist hier nicht mitgerechnet. Der Papst ahnt vielleicht, dass ihm nicht viel Zeit bleibt. Wer dem Vorhaben Erfolg wünscht, betet für die Gesundheit des Papstes.

2. Der Papst „umgeht“ wie manche Ortskirchen (so vor allem Deutschland) mit dem Format die kirchenrechtlich engen Spielregeln der Synode. An einer solchen nehmen im Wesentlichen Bischöfe teil: In meiner laufenden Synodenumfrage weisen manche Befragte in Kommentaren darauf hin, dass sich eine Synode, die nur von Bischöfen gemacht wird, ekklesiologisch genau besehen gar nicht „Synode“ nennen darf: Denn in der derzeit rechtlich einzig möglichen Konstruktion ist eine „Synode“ genau besehen nur eine Versammlung von Bischofskollegen, ist damit praktizierte Kollegialität und eben nicht Synodalität. Deswegen macht ja auch die Kirche in der Bundesrepublik Deutschland keine Synode, sondern geht einen Synodalen Weg.

3. Der Papst will, dass alle auf Gottes Geist hören. Thematisch setzt er diesem geistlichen Vorgang keine Grenzen. Alle Themen können auf den Tisch kommen. Natürlich wird es vorrangig um das in vieler Hinsicht bedrängte Schicksal der Welt gehen (also Gaudium et spes wird upgedatet werden: Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung werden herausragende Themen sein). Die Kirche wird aber dann wie auf dem II. Vatikanischen Konzil auch in den Blick kommen müssen (Lumen gentium): Denn es stellt sich die Frage, mit welcher Gestalt der Kirche die Kirche optimal ihren Beitrag zum Schicksal der Welt und hier wieder der verwundeten Natur und der vielen Armen leisten kann. Es wird darum gehen, wie die Kirche heute in den vielfältigen Kulturen der Menschheit sowohl den Menschen wie Gott nahe ist, mit dem Ziel, dass der Himmel jetzt schon auf die Erde kommt (Klaus Hemmerle), in Spuren wenigstens.

Große offene Fragen

In einem theologischen Vorausdokument (Internationale Theologenkommission: Die Synodalität in Leben und Sendung der Kirche, Rom 2018) wird zwischen einem decision-making und einem decision-taking unterschieden. Das decision-making, also das inhaltliche Arbeiten an einer möglichen Entscheidung, muss im Hören auf den Geist, der in allen ist, von allen gemeistert werden, so dieses Dokument. Sie sollen dabei zu einem „einmütigen“ Ergebnis gelangen. Dann entscheiden regional einige, die Bischöfe, und weltkirchlich am Ende einer: der Papst. Schon beim decision-making spielt die Unterscheidung der Geister eine Rolle, diese muss aber vor allem dem decision-taking vorausgehen. Wie aber kommt das decision-making praktisch zustande? Bei den bisherigen Synoden (Familie, Jugend, Amazonien) berichtete der Papst, wie er – ganz in der Weisheit der jesuitischen Tradition – diesen Prozess für sich gestaltet hat: Er ist in sich gegangen, hat gebetet und überlegt, und dann sein Nachsynodales Apostolisches Schreiben veröffentlicht. Die Frage bleibt aber offen, ob diese Konstruktion des Entscheidens die einzig mögliche ist. Sie sichert zwar einen Beitrag aller bei den Zuarbeiten zu einer Entscheidung, hält aber an der Letztentscheidung durch das Amt fest. Wie diese beiden Vorgänge zu verbinden sind, kann man theologisch aber höchst unterschiedlich gestalten.

Vorgänge, wie sie noch auf der Würzburger Synode (1971-1975) zwischen dem Konzilsende (1965) und dem neuen Kirchenrecht (1983) möglich waren, scheinen derzeit nicht vorgesehen zu sein: Damals hatte alle Versammelten, die in der Synodenaula alphabetisch und nicht nach Rang und Namen saßen, Sitz und Stimme. Ohne dass dadurch die Kirche zu einer Demokratie geworden wäre, haben sich demokratische Spielregeln bewährt: Solche spielen auch in Orden oder auch bei der Papstwahl oder bei Abstimmungen auf einem Konzil durchaus eine Rolle, worauf der spätere Kardinal Karl Lehmann bereits 1970 hingewiesen hatte.

Kulturelles Martyrium

Viele Kirchenmitglieder, die in Demokratien heimisch sind, wünschen sich eine solche Implementierung „demokratischer Spielregeln“. Für viele in der Umfrage klafft die Partizipationskultur in der Kirche und in der Berufswelt/der Gesellschaft krass auseinander: und dies vielfach ohne theologische Notwendigkeit. Auch das ist ein Grund, warum immer mehr Kirchenmitglieder nicht mehr bereit sind, in kirchlichen Gremien zu arbeiten, in denen sie beraten, aber keinen nachhaltigen Einfluss auf die Entscheidung haben. Für manche schafft das eine Art „kulturelles Martyrium“, dem sie durch Entfremdung sich entziehen.

Es läuft bereits eine interkontinentale Synodenumfrage

Jedenfalls kommt Bewegung in die stagnierende Weltkirche. Nicht wenige Ortskirchen, die in der Missbrauchskrise stecken, durch Strukturreformen entkräftet sind, sind gefordert. Es gilt, das Hinhören auf den Geist – und das in thematischer Offenheit – zu organisieren.

Seit einigen Wochen läuft die interkontinentale Synodenumfrage im Internet (www.zulehner.org), und das derzeit in vier Sprachen (deutsch, english, nederlands, franςais). Die Kirchenregion Belgien/Flandern hat sich unter der Führung von Peter de Mey, Annelie Dillen von der Universität Leuven der Umfrage angeschlossen. Mit heutigem Stand sind 19570 bisher in den Fragebogen eingetreten.

Erwartungen wie Befürchtungen

Erste Auswertungen zeigen, dass die Erwartungen groß sind, dass es aber auch vielfältige Befürchtungen gibt. Alle teilen die biblische Zusage (1 Kor 7,12), dass der Geist Gottes allen geschenkt ist und sie daher zu beteiligen sind. Eine Schlüsselfrage ist für viele Studienteilnehmende, ob das decision-making ein nachhaltiger Teil des „decision-takings“ selbst sein wird und nicht nur folgenlose Beratung. Auch schätzen die meisten, dass Synodalität und damit auch der geplante Synodale Weg der Weltkirche ein geistlicher Vorgang ist. Aber sie erwarten sich auch, dass es am Ende auch eine rechtliche Ordnung des Geistwirkens gibt und das Kirchenvolk nicht nur dem Wohlwollen eines Amtsträgers und seiner persönlichen Geisterfahrung ausgeliefert ist. Das wäre eine raffinierte Fortsetzung des von Papst Franziskus heftig kritisierten Klerikalismus. Ohne Weiterentwicklung des Kirchenrechts können sich viele kein Ergebnis der kommenden Synode vorstellen. Es braucht eine neue Synodenordnung hinsichtlich einer geordneten Teilnahme aller Getauften an synodalen Vorgängen und eine Regelung der Entscheidungsvorgänge, die nicht die Frustration des derzeitigen Beratungskonzepts fortsetzt.

Hier geht es zum deutschen Ankündigungstext. (Andere Sprachen)

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4 Antworten zu Es kommt Bewegung in die stagnierende katholische Weltkirche.

  1. Thomas A. Bauer schreibt:

    Die Strukturation von Vorwärtsbewegungen der Gesamtkrche,z. B. durch Verankerungen im Kirchrnrecht, ist das Um und Auf der wechselseitig ermöglichten Balance zwischen Adaption und Akkommodation (Piaget). Erst darin macht dich die Intelligenz der Entwicklung im Verhältnis von Kirche und Welt kenntlich. Der Weltbegriss braucht eine Inspiration Erweiterung, damit die Erweiterung des Kirchenbegriffs um das Momentum Welt möglich wird. Dort ist der ekklesiologische Wert der Demokratisierung von kirchlichen Strukturen ausmachen.

  2. Walter Kircher schreibt:

    da warten viele Mosaiksteinchen in das Christusbild eingefügt zu werden …
    Ihr Heilige und Selige im Geiste Jesu helft uns!

  3. Johanna schreibt:

    DANKE, lieber Prof. Zulehner, für die Mühe, uns Laien in verständlicher Sprache zu erklären, welche Schritte/Aktionen Papst Franziskus eingeleitet hat, um unsere kath. Kirche näher zu den Menschen zu bringen!

  4. Brand, Hildegard schreibt:

    … welch großer Anspruch: „… Teilnahme aller Getauften an synodalen Vorgängen …“
    Warum entsteht aus meiner Außenperspektive heraus immer wieder der Eindruck, als sei das schöne Wort “ Demokratie“ (demokratisch) in hohen kath. Kirchenkreisen immer auch
    angstbesetzt !? Wovor Angst?

    Angst war schon oft die schlechteste Ratgeberin :
    Angst – vor möglichen, real – notwendigen oder gar vor revolutions – ähnlichen Veränderungen bis hin zu Umkehrungen von scheinbar „ewigen Wahrheiten“ …

    Mögen mögliche Blockierer doch endlich umkehren – weg von Angst, wenn diese auch noch mit Machtansprüchen gepaart ist … .

    Und – gehört nicht zum Geistwirken – „Lassen“
    auch ein „Nachdenken – und Debattieren – Dürfen“ über bestimmte „Glaubenswahrheiten“, ein „Sich – in- Kenntnis – Setzen – Dürfen“ über diese und ein zur „Sprache– Bringen- Dürfen“ von Zweifeln daran !?

    Beispiel:
    Wenn wir Z. B. (!) das fatale Wort „Jungfrau“ im Glaubensbekenntnis einfach durch
    das wunder-schöne Wort „junge Frau“ ersetzen dürften, weil sowohl das griech. Wort „parthenos“ als auch das hebräische Wort „alma“ mit „junge Frau“ , nicht nur mit „Jungfrau“ übersetzt werden kann. ( Zitat aus dem Alten Testament; Jes.7,14 “ … Und die junge Frau wird empfangen und einen Sohn gebären…“)
    „Die“ kath. Kirche müsste dann nicht gleich in „Ohn- Macht“ fallen. ….Damit könnte auch gleichzeitig das aus dem 19. Jahrhundert stammende Dogma der „Unbefleckten Empfängnis Marias“ unter den Tisch fallen , ebenso wie das Dogma von der „Unfehlbarkeit“ des Papstes – mit allem Respekt vor eventuellen „metaphorischen “ Deutungen in geistigen „Höhenflügen“ … .

    Wenn es dem Kirchenvolk , „allen Getauften“ erlaubt wäre, ( ohne Androhung von Berufsverboten oder Exkommunikation) sich über die Historizität von „Glaubens-Substanzen“ und zugleich von Strukturen der Kirche ( es war nämlich nicht immer alles schon so… ) zunächst einmal kundig zu machen, bzw. sich wissenschaftlich aufkären zu lassen, sich aufzuklären und in einer fairen Debatten – Kultur öffentlich darüber nachgedacht werden dürfte, wäre ein großer Schritt hin zur Emanzipation im mündigen Glaubensvollzug gesetzt.
    Nur dieser kann m. E. die Grundlage für den Mut zum demokratischen Mitvollzug in Sachen Strukturveränderungen sein… Und – in beiden „Sachen“ gäbe es viel aufzuklären, gäben es viele Gründe, Schlüsse und Be-Schlüsse davon abzuleiten. Strukturen und ein möglicher synodaler Weg sind nicht denkbar ohne substantielle Inhalte, für die sie stehen sollten. M. E. sind „Ausgetretene“ nicht nur wegen der Unhaltbarkeit von Strukturen ausgetreten. …

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